Zulieferer verpassen Trend zur Elektromobilität

Pressemitteilung

Branche nutzt gute Liquiditätslage laut Atradius kaum. Kreditversicherer stuft Branchenbewertung auf „schwach“ herab.

Köln, 15. Dezember 2021 – Kleine und mittelständische Automobilzulieferer in Deutschland haben ihre relativ gute Liquiditätslage infolge der Corona-Hilfen in den vergangenen Monaten kaum genutzt, um ihr Geschäftsmodell auf die zunehmende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen umstellen. Das geht aus einer internen Analyse von Atradius hervor. „Die Nachfrage ist da – und trotzdem häufen sich die Probleme wieder in der deutschen Automobilindustrie“, erläutert Michael Karrenberg, Regional Director Risk Services bei Atradius. Der internationale Kreditversicherer sieht aktuell nur wenige Transformationsinitiativen seitens der kleinen und mittleren Anbieter hin zu mehr Produkten für die Elektromobilität. Mittelfristig dürfte hierdurch das Forderungsausfallrisiko erheblich steigen, so die Einschätzung von Atradius.

Atradius stuft Branche von „mittelmäßig“ auf „schwach“ herab

In den kommenden zwölf Monaten erwartet Atradius einen spürbaren Anstieg der Zahlungsausfälle bei den Lieferanten von deutschen Automobilzulieferern. Ganz akut belasten die Zuliefererfirmen die anhaltenden Produktionsverzögerungen bei den Herstellern infolge der Chipkrise, Lieferkettenengpässe sowie steigende Material- und Energiepreise. „Diese Herausforderungen werden zu erheblich mehr Insolvenzen unter den Zulieferern im kommenden Jahr führen“, sagt Michael Karrenberg. Vor diesem Hintergrund stuft Atradius seine aktuelle Bewertung für die Automobilbranche wieder auf „schwach“ herab. Noch im Juli hatte der Kreditversicherer die Lage der Automobilbranche angesichts positiver Marktsignale zu „mittelmäßig“ aufgewertet.

Das drängendste Problem aus Sicht von Atradius ist derzeit sicherlich der anhaltende Mangel an Mikrochips, die für die Herstellung sämtlicher Fahrzeuge benötigt werden. Der Engpass hat den Produktionsfokus der Automobilhersteller ganz erheblich in Richtung margenstärkerer Modelle wie Limousinen und SUVs verschoben. Die Herstellung von Kleinwagen hat dagegen oft das Nachsehen und wurde zuletzt häufiger unterbrochen. Dass weniger Kleinwagen vom Band laufen geht zu Lasten von zahlreichen Zulieferern, deren Produkte in solchen Pkw verbaut werden. Michael Karrenberg: „In den vergangenen Wochen sind dadurch bereits mehrere mittelständische Branchenakteure insolvent gegangen.“

Deutsche Zulieferer: Transformationsträgheit wird ein immer größeres Risiko

Von allen Branchen werde der Automotive-Bereich in den nächsten fünf Jahren derjenige mit den stärksten Transformationsprozessen sein, konstatiert Michael Karrenberg. Mittelfristig sieht Atradius bei den deutschen Zulieferern vor allem Risiken aufgrund einer unzureichenden Produktpalette für Autos mit Elektro- oder Hybridantrieb. Die Corona-Krise hat die Nachfrage nach solchen Modellen noch einmal beschleunigt. Im dritten Quartal 2021 wurden in Europa erstmals mehr Hybrid- und Elektrofahrzeuge zugelassen als Dieselfahrzeuge, wie der europäische Herstellerverband ACEA jüngst bekannt gab. Demgegenüber gehen die Transformationsaktivitäten der hiesigen Zulieferer aus Sicht von Atradius relativ langsam voran.

„Insgesamt sind mittelständische Zulieferer in Deutschland noch nicht ausreichend auf den abzusehenden Wandel hin zu deutlich mehr elektrisch angetriebenen Fahrzeugen vorbereitet, um hierbei eine ähnlich große Rolle zu spielen wie bei den Verbrennungsmotoren“, konstatiert Michael Karrenberg. „Die staatlichen Hilfen im Rahmen Corona-Pandemie haben den Unternehmen zwar relativ viel Liquidität verschafft. Jedoch hatten gerade kleine und mittelständische Zulieferer kaum Kapazitäten, um diese Mittel für die Entwicklung von Automobilkomponenten der nächsten Jahre zu nutzen.“

Atradius: Spezialisten-Abteilung für Forderungsrisiken in der Automobilbranche

Atradius empfiehlt Zulieferern, zügig zu reagieren und die Entwicklung konsequent mitzugehen: „Bis eine Unternehmenstransformation wirklich erfolgreich ist, vergeht oft viel Zeit. Unter drei Jahren dauert so ein Prozess eigentlich nie, in den meisten Fällen noch länger“, mahnt Michael Karrenberg. Angesichts der großen Herausforderungen der Zulieferer hat Atradius in seinem Bereich in der Abteilung Special Risk Management eine Spezialisten-Gruppe gebildet, die sich ausschließlich auf die Risikozeichnung von Automobilzulieferern in Schieflage konzentriert. „Bei vielen von ihnen dürften sich die Probleme in den nächsten Jahren weiter verschärfen, weil die Elektromobilität immer schneller voranschreitet. Ein großer Teil der Insolvenzen in den kommenden Monaten könnte deshalb bei denjenigen Zulieferern auftreten, deren Produkte bislang ausschließlich in Verbrennungsmotoren hineingehen.“   

Hohe Unsicherheiten auch in anderen europäischen Automobil-Märkten

Lieferanten von deutschen Automobilzulieferern stehen mit ihrem erhöhten Forderungsausfallrisiko und dem pessimistischen Ausblick nicht alleine dar. Auch in anderen wichtigen Automobilmärkten bestehen hohe Unsicherheiten. In der Tschechischen Republik geht Atradius davon aus, dass von Automobilherstellern und Zulieferern 2022 erheblich mehr Zahlungsausfälle verursacht werden als 2021, unter anderem aufgrund der Herausforderungen bei der Umstellung hin zu mehr Elektromobilität. In Frankreich sieht der Kreditversicherer vor allem die Zulieferer und die Autohändler unter Druck, auch dürfte es zu mehr Insolvenzen und Zahlungsausfällen kommen. Problematisch ist die Lage auch in Italiens Automobilindustrie, wo die Nachfrage sich nur zögerlich von Corona erholt. Im Vereinigten Königreich scheint sich die Automobilbranche langsam mit dem Brexit zu arrangieren, jedoch drohen auch hier weiterhin Produktionsunterbrechungen. Die Zahl der Neuzulassungen ging im September 2021 um 34 % zurück gegenüber dem Vorjahresmonat, darunter haben auch hier die Zulieferer zu leiden. Bei ihnen dürften die Insolvenzen in den nächsten Monaten erheblich zunehmen.

Einen Überblick über die aktuellen Atradius-Risikobewertungen der wichtigsten Automobilmärkte weltweit gibt der aktuelle Report „Industry Trends Automotive“ im Menüpunkt Publikationen.

Über Atradius

Atradius ist ein globaler Anbieter von Kreditversicherungen, Bürgschaften, Inkassodienstleistungen und Wirtschaftsinformationen mit einer strategischen Präsenz in mehr als 50 Ländern. Die von Atradius angebotenen Produkte schützen Unternehmen weltweit vor den Ausfallrisiken beim Verkauf von Waren und Dienstleistungen auf Kredit. Atradius ist Mitglied der Grupo Catalana Occidente (GCO.MC), einer der größten Versicherer in Spanien und einer der größten Kreditversicherer der Welt. Weitere Informationen finden Sie online unter www.atradius.de

 

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