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Insolvenzanfechtung: Was Unternehmen wissen und beachten sollten

Insolvenzanfechtung

Nach Zahlung offener B2B-Rechnungen schließt man in der Regel mit den Forderungen ab - Haken dran.  Erreicht Sie dann unerwarteterweise ein Brief vom Insolvenzverwalter, kann es zu einer unangenehmen Überraschung kommen: Im Rahmen einer Insolvenzanfechtung werden geleistete Zahlungen zurückgefordert. Ist das überhaupt erlaubt? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? In diesem Beitrag erfahren Sie alles, was Sie wissen müssen und wie Sie sich effektiv schützen. 

 

Insolvenzanfechtung – Definition 

Die Insolvenzanfechtung ist ein rechtliches Instrument im Insolvenzrecht, das dazu dient, Vermögenswerte, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens unrechtmäßig übertragen wurden, zurückzufordern. Ziel ist es, die Insolvenzmasse zugunsten aller Gläubiger zu vergrößern und Ungleichbehandlungen zu vermeiden. Dabei können Handlungen wie Zahlungen oder Vermögensübertragungen, die eine Benachteiligung der Gläubiger bewirken, rückgängig gemacht werden, sofern bestimmte Voraussetzungen und Fristen erfüllt sind.

 

Wann kommt es zu einer Insolvenzanfechtung?

Kurz vor einer Insolvenz versuchen betroffene Schuldner häufig, die Feststellung der Zahlungsunfähigkeit abzuwenden und den weiteren Bestand des Unternehmens zu retten. Werden dadurch Gläubiger benachteiligt, können geleistete Zahlungen unter gewissen Voraussetzungen vom Insolvenzverwalter zurückgeholt werden. Ziel der Insolvenzanfechtung ist es, die Vermögenswerte in das Unternehmen bzw. in die Insolvenzmasse zurückzuführen und dann entsprechend der Ansprüche der Gläubiger gerecht zu verteilen.

Dies führt bei laufenden Geschäftsbeziehungen teilweise zu einem erheblichen Anfechtungsvolumen und damit – manchmal erst Jahre später – zu einem erheblichen Ausfall auf Seiten der betroffenen Gläubiger.

 

Zweck der Insolvenzanfechtung

Ein Ziel des Insolvenzverfahrens ist es, das verbliebene Vermögen gerecht, d. h. quotal nach dem Verhältnis der Beträge der Forderungen der Gläubiger zu verteilen. Üblicherweise reicht das Vermögen nicht mehr aus, um die Gläubiger vollständig zu befriedigen.  Um die Masse gerecht zu verteilen, prüft der Insolvenzverwalter, ob es vor Insolvenzantrag Vermögensverfügungen des Schuldners gegeben hat, die einzelne Gläubiger benachteiligen. 

Bei der Insolvenzanfechtung soll das schuldnerische Vermögen nun gleichmäßig auf alle Insolvenzgläubiger verteilt werden. Somit sollen nicht die vermeintlich wichtigeren Vertragspartner zuerst eine Erstattung ihrer Forderungen erhalten, bevor weitere Gläubiger bedient werden. Ohne eine geregelt gleichmäßige Verteilung passiert das schnell zum Erhalt wirtschaftlich relevanter Geschäftsbeziehungen.

 

Fristen für die Insolvenzanfechtung

Die Fristen der Insolvenzanfechtung sind entscheidend für die Gültigkeit der Rückforderung von Vermögenswerten. Grundsätzlich können Transaktionen, die bis zu zehn Jahre vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfanden, angefochten werden. Spezifische Fristen variieren jedoch je nach Art der Handlung:

  • Vorsätzliche Benachteiligung: bis zu zehn Jahre.
  • Unentgeltliche Leistungen: vier Jahre.
  • Nahestehende Personen: zwei Jahre.
  • Deckungshandlungen: drei Monate.

 

Voraussetzungen für die Insolvenzanfechtung: anfechtbare Rechtshandlung

Erfolgen Zahlungen oder unentgeltliche Leistungen des Schuldners an einzelne Gläubiger kurz vor oder nach der Insolvenz, hat der Insolvenzverwalter unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit zur Insolvenzanfechtung nach den §§ 129-147 der Insolvenzordnung (InsO)

Anfechtbare Rechtshandlungen:

  • Es können nur Rechtshandlungen angefochten werden, die zu einer Benachteiligung der übrigen Gläubiger geführt haben. Meist sind die Zahlungen auf eine Verbindlichkeit an einen einzelnen Gläubiger, aufgrund derer andere Gläubiger benachteiligt werden.
  • Aber auch unentgeltliche Leistungen können eine Benachteiligung begründen. Unentgeltliche Leistungen sind Schenkungen, Rechteüberlassungen oder unentgeltliche Verträge, die Vermögen aus der Insolvenzmasse entnehmen, wie zum Beispiel der Verkauf eines Firmenfahrzeuges zu einem Preis unterhalb des Marktwertes.
  • Auch die Übernahme fremder Verbindlichkeiten oder der Abschluss eines finanziell äußerst ungünstigen Vertrags können anfechtbare Rechtshandlungen sein.

 

Wann kann eine Insolvenzanfechtung getätigt werden? – die wichtigsten Anfechtungsgründe im Überblick

Das deutsche Insolvenzrecht sieht im Rahmen der Insolvenzordnung (InsO) verschiedene Anfechtungstatbestände vor, mit denen der Insolvenzverwalter bestimmte Rechtshandlungen rückgängig machen kann. Ziel ist die gleichmäßige Befriedigung aller Gläubiger durch Wiederherstellung der Insolvenzmasse. Im Folgenden werden die wichtigsten Anfechtungsgründe inklusive ihrer gesetzlichen Grundlagen erläutert:

Vorsatzanfechtung

Die Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO) ist einer der schärfsten Anfechtungstatbestände. Sie erlaubt es, Zahlungen oder Vermögensverschiebungen bis zu vier Jahre rückwirkend (in besonderen Fällen sogar bis zu zehn Jahre) anzufechten, wenn der Schuldner mit dem Vorsatz handelte, seine Gläubiger zu benachteiligen.
 
Voraussetzung ist, dass der Gläubiger diesen Benachteiligungsvorsatz kannte oder Umstände vorlagen, die auf diese Kenntnis schließen lassen – etwa wenn der Schuldner erkennbar in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckte.
 
Diese Vorschrift betrifft vor allem Zahlungen an nahestehende Personen oder Gläubiger, mit denen ein enger Austausch bestand.
 

Kongruente Deckung

Kongruente Deckungen (§ 130 InsO) sind Leistungen, auf die der Gläubiger einen fälligen Anspruch hatte – also etwa die planmäßige Begleichung einer Rechnung.
 
Auch solche Zahlungen können anfechtbar sein, wenn:

  • sie innerhalb der letzten drei Monate vor dem Insolvenzantrag erfolgten,
  • der Schuldner zum Zeitpunkt der Zahlung bereits zahlungsunfähig war und 
  • der Gläubiger von der Zahlungsunfähigkeit wusste.

 Diese Regelung betrifft alltägliche Geschäftsvorgänge, bei denen scheinbar „normale“ Zahlungen später infrage gestellt werden können.
 

Inkongruente Deckung

Von inkongruenten Deckungen (§ 131 InsO) spricht man, wenn der Gläubiger eine Leistung erhält, auf die kein fälliger Anspruch bestand – zum Beispiel bei vorzeitiger Zahlung, ungewöhnlicher Zahlungsart oder Vollstreckung.
 
Diese sind besonders anfällig für eine Anfechtung:

  • innerhalb der letzten drei Monate vor dem Antrag,
  • oder sogar bis zu zwei Jahre vorher, wenn der Gläubiger Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit hatte.

Gerade bei nicht vertraglich vereinbarten Sonderzahlungen ist besondere Vorsicht geboten.
 

Unentgeltliche Leistungen

Unentgeltliche Leistungen (§ 134 InsO) können bis zu vier Jahre rückwirkend angefochten werden. Hierunter fallen insbesondere Schenkungen oder Leistungen, für die keine angemessene Gegenleistung erfolgte – z. B. unentgeltliche Übertragungen von Vermögenswerten an Dritte.
 
Eine Ausnahme besteht nur bei Gelegenheitsgeschenken geringeren Werts.
 

Bargeschäft

Das sogenannte „Bargeschäft“ (§ 142 InsO) schützt alltägliche wirtschaftliche Transaktionen, bei denen Leistung und Gegenleistung zeitnah und gleichwertig erbracht werden – zum Beispiel die Zahlung gegen Lieferung.
 
Diese Geschäfte sind grundsätzlich nicht anfechtbar, es sei denn, sie wurden vorsätzlich zur Gläubigerbenachteiligung abgeschlossen und der Gläubiger kannte diesen Vorsatz.
 

Rechtsfolgen der Anfechtung

Führt die Anfechtung zum Erfolg, muss der Gläubiger die empfangene Leistung zurückgewähren (§ 143 InsO). Gleichzeitig lebt die ursprüngliche Forderung wieder auf (§ 144 InsO) und kann vom Gläubiger zur Insolvenztabelle angemeldet werden. Das dient der gerechten und gleichmäßigen Verteilung des Schuldnervermögens auf alle Gläubiger.

 

Indizien für eine mögliche Zahlungsunfähigkeit des Schuldners

Für Gläubiger ist es nicht immer einfach, eine drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit zu erkennen. Es gibt jedoch Indizien im Verhalten von Schuldnern, die einzeln oder in der Gesamtschau gewisse Hinweise geben können:

  • Ständiges Vorsichherschieben von überfälligen Verbindlichkeiten
  • Ständige Mahnungen/erfolglose Vollstreckungsversuche
  • Androhung/Durchsetzung von Liefersperren
  • Rückgabe von Lastschriften
  • tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten
  • Nichtzahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen, Löhnen, Mieten
  • eigene Erklärungen des Schuldners, fällige Verbindlichkeiten nicht begleichen zu können
  • Nichteinhalten von Zahlungszusagen

 

Wie läuft eine Insolvenzanfechtung ab?

Für eine Anfechtung wird ein Insolvenzverwalter beauftragt. Der Ablauf gliedert sich in mehrere Schritte:

  1. Prüfung: Der Insolvenzverwalter prüft die vergangenen Transaktionen und Zahlungen.
  2. Identifizierung: Anfechtbare Handlungen werden identifiziert.
  3. Rückforderung: Der Insolvenzverwalter fordert die Rückgabe der Vermögenswerte vom Empfänger.
  4. Gerichtliche Durchsetzung: Bei Weigerung des Empfängers erhebt der Insolvenzverwalter Klage.
  5. Verteilung: Die zurückgeforderten Vermögenswerte werden in die Insolvenzmasse eingebracht und gerecht an die Gläubiger verteilt.

 

Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz gegen die Anfechtung einer bereits erhaltenen Zahlung

Die Insolvenzanfechtung kann mit hohen Kosten und einem erheblichen Zeitaufwand verbunden sein. Betroffene Gläubiger müssen möglicherweise Anwälte hinzuziehen und Gerichtsverfahren durchlaufen, um ihre Interessen zu verteidigen, was zu erheblichen finanziellen und zeitlichen Belastungen führen kann.  

Atradius vermittelt einen Anwalt, den der Anfechtungsgegner beauftragt, sofern bei uns eine Versicherung abgeschlossen ist. 

Eine sorgfältige Due Diligence und die Einhaltung von Vertragsbedingungen können dazu beitragen, das Risiko einer Anfechtung zu minimieren. 

Folgende Maßnahmen können helfen, das Anfechtungsrisiko zu verringern:

  • Schriftliche Korrespondenz mit dem Schuldner über dessen finanzielle Situation vermeiden, im Zweifel “neutrale” Kommunikation verwenden. Informationen nur telefonisch austauschen. 

  • Korrespondenz mit dem Insolvenzverwalter über den Schuldner vermeiden.

  • Vereinbarte Zahlungsmodalitäten sollten eingehalten werden, keine Zahlung tätigen, die noch nicht fällig ist. Diese könnte als anfechtbar eingestuft werden. 

  • Bei Zahlungsschwierigkeiten für künftige Geschäfte auf Vorkasse umstellen, um Leistungsaustausch als Bargeschäft qualifizieren zu können, welches nicht anfechtbar ist.

  • Frühzeitig und zügig vollstrecken, keine vorherigen diesbezüglichen Drohungen gegenüber dem Abnehmer äußern.

Immer sinnvoll:

  • Optimierung des Kundenportfolios im Rahmen der Zusammenarbeit mit Anbietern von Kreditversicherungen wie Atradius 

  • Informationen zum Vertragspartner über Dritte, z.B. über Creditreform oder Atradius einholen.

  • Leistung absichern durch die Vereinbarung von Eigentumsvorbehaltsrechten oder Vereinbarung von anderen Sicherheiten, wie z.B. Bankbürgschaften.

 

Schutz gegen Forderungsausfall bei Insolvenzanfechtung

Fordert ein Insolvenzverwalter eine bereits erhaltene Zahlung zurück, ist eine Warenkreditversicherung der beste Weg, um einer Involvenzanfechtung zu begegnen und sich gegen den Forderungsausfall zu schützen.  

Atradius hat in Kombination zu einer allgemeinen Warenkreditversicherung eine Versicherungslösung entwickelt, die Lieferanten in der Abwehr gegenüber dem Insolvenzverwalter begleitet und ihnen bei einer Zahlungsverpflichtung den Schaden ersetzt.

Der Deckungsschutz umfasst Forderungen, die bezahlt waren und aufgrund einer Anfechtung und Rückzahlung an den Insolvenzverwalter wieder aufleben und somit "unbezahlt" sind.

Atradius schützt diese Forderungen rückwirkend für 10 Jahre. Dabei kann die Höhe nach unterschiedlichen Deckungssummen ausgewählt werden. 

Und – last but not least – beteiligt sich Atradius auch erfolgsabhängig an den Anwaltskosten zur Schadenabwehr.


Insolvenzanfechtung – FAQ

 

Bezieht sich eine Insolvenzanfechtung nur auf Zahlungen?

Nein, auch andere Rechtshandlungen wie die Umschreibung von anderen  Vermögensgegenständen wie Immobilien, Grundstücken oder Maschinen können einer Insolvenzanfechtung unterliegen.

 

Aus welchem Zeitraum kann eine Zahlung angefochten werden?

Die Frist, um eine Anfechtung zu erklären, variiert je nach Anspruchsgrundlage. In den meisten Fällen beträgt sie vier Jahre. Selten kann sie aber auch bis zu zehn Jahre betragen.

 

Gibt es eine Verjährungsfrist für Ansprüche aus einer Insolvenzanfechtung?

Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, hat der Insolvenzverwalter drei Jahre Zeit, die Anfechtung von Rechtshandlungen zu erklären. Die Frist beginnt mit dem Ende des Jahres, in welchem das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.

 

Was, wenn ich nichts von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wusste?

Zunächst wird Ihnen der Insolvenzverwalter unterstellen, dass Sie von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners wussten. Später muss der Insolvenzverwalter dies beweisen. Eine anwaltliche Begleitung ist dringend anzuraten. 

Auf der folgenden Seite erhalten Sie Informationen zum Insolvenzanfechtungsschutz von Atradius.

 

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