Deutschland: Zahlungsverzüge führen zu Umsatzeinbußen

Zahlungsmoralbarometer

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29 Okt 2018

Für deutsche Unternehmen gibt es aktuell kein größeres Risiko als den Ausbruch eines internationalen Handelskrieges infolge der protektionistischen Politik der US-Regierung

60,4 % der in Deutschland befragten Unternehmen gaben an, dass überfällige Rechnungen im Firmengeschäft in den vergangenen zwölf Monate ihr Geschäft beeinträchtigt haben. Von den befragten westeuropäischen Ländern verzeichnete Deutschland den zweithöchsten Prozentsatz der Befragten (24,7 %), nach deren Angaben verspätete Zahlungen zu Umsatzeinbußen führten. Unzureichende Finanzmittel, Abnehmer, die ausstehende Rechnungen als Finanzierungsmittel nutzen, sowie die Komplexität des Zahlungsverfahrens bleiben die Hauptgründe für  Zahlungsverzüge von kommerziellen Kunden in Deutschland.

Weniger abgeneigt, langjährigen Kunden einen Lieferantenkredit einzuräumen

Der Anteil aller Firmengeschäfte, bei denen ein Zahlungsziel eingeräumt wird, ist in Deutschland in diesem Jahr leicht von 26,5 % (2017) auf 25,0 % gesunken. Damit liegt die deutsche Wirtschaft weit unter dem Studiendurchschnitt von 37,4 % und gewährt am  seltensten Lieferantenkredite in Westeuropa. Dabei sind die deutschen Befragten eher dazu bereit, ihren inländischen B2B-Kunden Kredite anzubieten, als ihren B2B-Kunden im Ausland (25,9 % gegenüber 24,1 %).

Auf die Frage, warum sie im Firmengeschäft Lieferantenkredite gewähren, nennen die Befragten in Deutschland dieselben Gründe für ihre inländischen wie für ausländischen Kunden: Von Kreditverkäufen wird angenommen, dass sie das Geschäft auf nationaler und internationaler Ebene ausweiten. Darüber hinaus werden sie als wichtig erachtet, um aktuelle Geschäftsbeziehungen aufrechtzuerhalten und neue zu entwickeln.

 

 

Wir gewähren Lieferantenkredite, um so viele Kunden zu bekommen wie möglich, einen soliden Kundenstamm aufzubauen und diese Kunden an unser Unternehmen zu binden.

Befragungsteilnehmer der Dienstleistungbranche

 

41,3 % der deutschen Befragten würden ihren inländischen B2B-Kunden keine Zahlungen auf Ziel einräumen, wenn ein Abnehmer  eine schlechte Zahlungsmoral aufweist. Für 19,6 % ist die schwache Finanzlage eines Kunden ein Grund, den Lieferantenkredit zu verweigern. Im Auslandsgeschäft war die schlechte Zahlungsmoral der Kunden der Hauptgrund, weswegen Befragte keine Kredite angeboten haben (genannt von 38,1 %). Der am zweithäufigsten erwähnte Grund, weswegen ein Kreditverkauf an Firmenkunden im Ausland abgelehnt wurde, war ein hohes wirtschaftliches oder politisches Risiko im Land des Kunden (26,2 % der Befragten).

Geschäfte mit Zahlungsziel eröffnen uns neue Märkte und helfen uns, mehr Kunden im Ausland zu gewinnen.

Befragungsteilnehmer aus Deutschland

 

Ein leichter Anstieg der DSO

Der Prozentsatz der Befragten in Deutschland, die von verspäteten Zahlungen ihrer Firmenkunden betroffen waren, ist 2018 um drei Prozentpunkte gesunken, liegt jedoch mit 89,5 % immer noch leicht über dem regionalen Durchschnitt. Zahlungsverzüge wurden ebenso häufig von inländischen Abnehmern verursacht wie von ausländischen.


2018 blieb der Anteil überfälliger Rechnungen im Firmengeschäft in Deutschland stabil (40,5 %). Dieser Wert liegt leicht unter dem Durchschnitt von Westeuropa. Es wurden etwas häufiger überfällige B2B-Rechnungen von ausländischen als von inländischen Kunden genannt.


2018 beläuft sich der durchschnittliche DSO-Wert (Days Sales Outstanding; Forderungslaufzeit) auf 27 Tage, zwei Tage mehr als im Atradius-Zahlungsmoralbarometer 2017. Auf die Frage nach dem erwarteten DSO-Trend in den nächsten zwölf Monaten gaben 67,8 % der deutschen Befragten an, dass sie keine  Veränderungen  prognostizieren. 19,0 % rechnen mit einer Zunahme ihres DSO-Werts, 13,1 % mit einer Abnahme.

Die kürzesten Zahlungsfristen in Westeuropa

Bislang räumten Lieferanten und Dienstleister in Deutschland ihren Firmenkunden mitunter die kürzesten Zahlungsfristen in der Region ein. Das gilt auch noch für 2018. Zudem haben die deutschen Studienteilnehmer im aktuellen Befragungszeitraum noch einmal von einer Verkürzung der Zahlungsziele berichtet. Inländischen B2B-Kunden standen durchschnittlich 20 Tage zur Begleichung von Rechnungen zur Verfügung (zwei Tage weniger als 2017), während ausländische B2B-Kunden 23 Tage Zeit hatten (drei Tage weniger als 2017).


51,4 % der Befragten in Deutschland gaben an, dass sie inländischen und ausländischen B2B-Kunden keine unterschiedlichen  Zahlungsziele einräumen. Von denjenigen, die Unterschiede machen, gaben 34,3 % an, dass sie eher ihre inländischen B2B-Kunden um eine schnellere Zahlung bitten. 14,3 % sind bereit, ihren inländischen B2B-Kunden mehr Zeit zur Zahlung einzuräumen. Die Hauptgründe für die Differenzierung bei Zahlungszielen in Deutschland sind Branchenpraxis, interne Richtlinien, die Wirtschaftslage im Exportland und die finanziellen Risiken in Verbindung mit Exportgeschäften.

 

 

 

Past due B2B receivables Western Europe 2018

 

 

 

2018 haben die Zahlungsverzüge auch leicht abgenommen. Im Vergleich zu 2017 sank der Wert im Inland um drei Tage auf durchschnittlich 18 Tage, während ausländische B2B-Kunden einen Verzug von durchschnittlich 22 Tagen aufwiesen (2017: durchschnittlich 21 Tage).


Die rückläufigen Zahlungsziele und Zahlungsverzögerungen führten zu einer Abnahme von drei Tagen bei der durchschnittlichen Zahlungsdauer, die nun bei 42 Tagen liegt. Neben den Niederlanden hatte Deutschland die kürzeste Zahlungsdauer, was bedeutet, dass es hier von der Ausstellung der Rechnung bis hin zum Zahlungseingang am schnellsten geht.


Zahlungsverzüge durch inländische Kunden traten bei deutschen Lieferanten und Dienstleistern am häufigsten wegen  unzureichender Finanzmittel auf (genannt von 45,5 % der Befragten) und weil Käufer ausstehende Rechnungen als Finanzierungsmittel benutzen (33,9 %). Von den befragten westeuropäischen Ländern wies Deutschland auch einen hohen Prozentsatz auf, der als Grund für Zahlungsverzögerungen falsche Rechnungsinformationen angaben (2018: 22,3 % gegenüber 2017: 15,6 %). Die häufigsten Gründe für Zahlungsverzüge durch Kunden im Ausland sind unzureichende Geldmittel (37,9 %), Abnehmer, die ausstehende Rechnungen als Form der Finanzierung benutzen, sowie die Komplexität des Zahlungsverfahrens (die letzten beiden wurden von 33,3 % der Befragten genannt).


Auf die Frage nach den Folgen überfälliger Rechnungen im  Firmengeschäft während der vergangenen zwölf Monate gaben 24,7 % der deutschen Befragten an, dass sie Umsatzeinbußen  verzeichnen mussten. Das ist nach Griechenland der zweithöchste Prozentsatz der Befragten, die diese Folge in Westeuropa angegeben haben, und liegt somit viel höher als der regionale Durchschnitt von 16,8 %. Weitere häufig genannte Auswirkungen
waren, dass die befragten Unternehmen Investitionen in Sachanlagen aufschieben (19,8 %), Zahlungen an eigene Lieferanten zurückstellen (15,4 %) und eine zusätzliche Finanzierung aufnehmen mussten (14,3 %).

Die meisten Rechnungen werden elektronisch versendet

Die meisten Befragten in Deutschland (63,8 %) erklärten, dass sie für ihre inländischen und ausländischen Kunden Rechnungen nur noch elektronisch ausstellen. Weitere 13,3 % möchten in diesem Jahr die elektronische Fakturierung einführen. 21,0 % sagten hingegen, dass sie keine elektronische Fakturierung verwenden und nur 1,9 % gaben an, dass sie diese nicht mehr nutzen.


Bei der Frage, wie sich die elektronische Fakturierung auf die Zahlungsdauer auswirkt, gaben 46,6 % der deutschen Befragten an, dass sie der Meinung seien, elektronische Rechnungen  beschleunigten Zahlungen. Ein leicht höherer Prozentsatz, nämlich 48,9 %, erklärte, dass sie keine nennenswerte Auswirkung  feststellen konnten. 4,5 % der Befragten stellten eine Zahlungsverzögerung fest.

 

 

Highest proportion of overdues 2018

 

 

Protektionismus in den USA - erneut größtes potenzielles Risiko

Die deutschen Befragten wurden darum gebeten, diese Risiken von den größten bis zu den kleinsten Risiken zu ordnen:  Protektionismus der USA, der sich zu einem Handelskrieg ausweiten
könnte, fehlgeleitete Geldpolitik der USA, ein starkes Abschwächen
des chinesischen Wirtschaftswachstums und ein geopolitisches
Risiko. Da die USA einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands sind, gaben die meisten Befragten an, dass der drohende Handelskrieg durch den US-amerikanischen  Protektionismus das größte Risiko für das globale Wachstum darstellt. Mit 54,7 % hatte Deutschland den zweithöchsten Prozentsatz der Befragten in der Region, die diese Angabe machten, und lag somit viel höher als der westeuropäische Durchschnitt von
44,8 %. 21,7 % der deutschen Befragten sagten, dass der Protektionismus der USA tatsächlich ein erhebliches Risiko sei, jedoch nicht das größte. Eine fehlgeleitete Geldpolitik der USA wurde als das zweitgrößte Risiko angegeben (20,7 % der deutschen Befragten).

Insolven einer der häufigsten Abschreibungsgründe

2018 blieb der durchschnittliche Anteil von uneinbringlichen Forderungen in Deutschland stabil bei 0,7 % (2017: 0,8 %). Ähnlich wie auch in der Vergangenheit wurden inländische Forderungen im Firmengeschäft erheblich öfter abgeschrieben als ausländische.

 

Uneinbringliche Forderungen treten meistens bei Firmenkunden in den folgenden Branchen auf: Chemie, Bauwesen, langlebige Verbrauchsgüter, Maschinen, Unternehmensdienstleistungen und Dienstleistungen. Ein verbreitetes Problem in der gesamten Region – die Kunden melden Insolvenz an oder stellen ihren Geschäftsbetrieb ein – war auch der Hauptgrund für Abschreibungen in Deutschland (genannt von 69,9 % der Befragten). Das ist der höchste Prozentsatz der Befragten in der Region und stellt einen Anstieg gegenüber 2017 dar (damals 63,7 %). Der am zweithäufigste genannte Grund für Abschreibungen sind erfolglose Inkassoversuche (33,1 % der Befragten).

 

 

 

Payment delays Western Europe 2018

 

 

 

 

 

 

Payment duration Western Europe 2018

 

Bauwesen - wieder eine problematische Branche

Wie bereits erwähnt lag die durchschnittliche Zahlungsdauer bei den deutschen Befragten 2018 bei 22 Tagen. Die Zahlungsziele sind jedoch branchenabhängig. Für Firmenkunden in den Branchen Papier und Metall gilt eine längere durchschnittliche Zahlungsfrist (36 Tage bzw. 27 Tage). Kunden in der Baustoffbranche hingegen müssen viel schneller bezahlen (durchschnittlich binnen 12 Tagen).


Ähnlich wie auch 2017 haben die Abnehmer in der Baubranche zum längsten Zahlungsverzug beigetragen. Unternehmen in dieser  Branche zahlten im Durchschnitt 16 Tage nach dem Fälligkeitsdatum. Die Hauptgründe sind ähnlich wie für das ganze Land: unzureichende Finanzmittel und Abnehmer, die ausstehende Rechnungen als Form der Finanzierung nutzen (von 52,0 % bzw. 48,0 % genannt).


Mit Blick auf die nächsten zwölf Monate gaben 62,0 % der Studienteilnehmer an, dass sie keine Änderung der Zahlungsmoral ihrer Kunden aus der Baubranche erwarten. 26,0 % gehen von einer leichten und 3,0 % von einer erheblichen Verschlechterung aus.

 

 

 

Uncollectable B2B receivables Western Europe 2018

 

 

 

 

 

 

 

 

Industries practices Western Europe 2018